Es muss nicht immer alles schön sein damit es gut ist
Und dann gibt es Tage, an denen ich aufwache und nicht so recht weiß, wohin mit mir, meinen Gedanken und Gefühlen. An manchen Tagen hilft mir meine Meditationspraxis.
An anderen Tagen versuche ich mich möglichst schnell abzulenken und scrolle direkt nach dem Aufwachen durch Instagram und Facebook. Aktuell sehe ich in meinen Feeds so viele Menschen, die produktiver denn je scheinen. Diese Menschen haben bereits nach vier Wochen Quarantäne zwei neue Sprachen gelernt, fünf Kilo abgenommen und die Steuererklärung für 2022 gemacht. Da ist es ein Leichtes, sich zu vergleichen, noch frustrierter zu sein als vorher und sich die Decke direkt wieder über den Kopf zu ziehen.
Intrinsische Motivation
Generell verspüre ich dieser Tage jedoch auch einen enormen Motivationsschub, Dinge anzupacken und die Zeit sinnstiftend zu nutzen. Ich arbeite mehr als vor Corona und fühle mich sehr ausgeglichen. Aber nur, weil ich es als sinnvoll erachte, morgens zu meditieren, Yoga zu praktizieren und Bäume im Wald zu umarmen, heißt das noch lange nicht, dass du das genauso so machen musst. Vielleicht ist es für dich viel sinnvoller, fünf heute einmal guten Gewissens gerade sein zu lassen und dich mit einer Tüte Chips und Netflix im Bett zu verkriechen. Oder um 15 Uhr den erste Aperol Spritz auf dem Balkon zu genießen. Ja, ich liebe, was ich mache und freue mich, wenn andere Menschen eine ähnliche Begeisterungsfähigkeit für die Yoga- und Meditationspraxis entwickeln können. Aber nur, wenn es intrinsisch motiviert ist und sie auch wirklich Lust darauf haben. Alles andere ist Quatsch und nicht wirklich nachhaltig.
Einfach mal nichts machen
Nur weil wir dieser Tage mehr Zeit als sonst zu haben scheinen, müssen wir diese nicht direkt wieder komplett verplanen und mit dem in uns so tiefverankertem Leistungsdenken bestmöglich optimieren. Es ist absolut okay, wenn du heute noch nicht joggen warst und es auch für morgen nicht eingeplant hast.
Ich wünsche mir, dass du weißt, dass es okay ist, wenn du dieser Tage nicht besonders produktiv bist, nicht abgenommen hast und noch nicht fließend Mandarin sprichst. Das macht dich sehr menschlich. Und äußerst sympathisch. Wir dürfen nicht vergessen, dass die ganze Situation für viele von uns gerade äußerst traumatisierend und beängstigend ist. Statt sich in Äußerlichkeiten zu verlieren, schaue stattdessen öfters nach Innen. Wie geht es dir? Atmest du ruhig und gleichmäßig? Bist du im Körper verankert oder in Gedanken verstrickt?
Was erfüllt dein Herz mit Freude?
Vielleicht kannst du die kommenden Wochen nutzen, um wieder mehr darauf zu achten, was dich wirklich mit Freude erfüllt und glücklich macht. Vielleicht hast du früher gerne gebacken? Oder gezeichnet? Ohne, dass du den besten Kuchen deines Lebens backen und die nächste Mona Lisa malen musst, lasse alle Leistungsgedanken von dir abfallen. Das Ziel vom Backen ist backen. Das Ziel vom Malen ist malen. Das Ziel von Yoga ist Yoga. Und alles ist Meditation!
Wenn du dich also das nächste Mal dabei ertappst, wie dich das schlechte Gewissen ereilt, weil andere so viel produktiver scheinen als du, take it easy! Was wir online sehen und was andere uns verkaufen wollen, ist sowieso immer nur die halbe Wahrheit und ein kurierter und sehr bewusst gewählter Lebensausschnitt eines für alle nicht ganz so glamourösen Quarantänealltages.
Mehr Realität, weniger Fassade
Ich verrate dir was: Ich hatte die letzten Tage ein kreatives Schreibloch. Erst hat es mich gestresst, weil ich wusste, dass es bald wieder Zeit für die nächsten Kolumne ist. Jetzt sitze ich an der Dreisam, die Sonne im Gesicht, die nackten Füße im Wasser und die Worte kommen von ganz alleine. Ich schreibe nicht mit dem Ziel, dass dieses der beste Artikel sein muss, den die fudder-Leser jemals gesehen haben, sondern weil es mich innerlich erfüllt und mir Freude bereitet, meine Gedanken niederzuschreiben. Für den Moment steht die Welt still, Corona scheint sehr weit weg und ich genieße den Windzug auf meiner Haut. Herrlich!